Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz –

ein sperriges Wort mit viel Unsicherheit dahinter.

In vielen Beiträgen liest man derzeit: „Ab 2025 wird Barrierefreiheit Pflicht für alle Unternehmen.“ Doch stimmt das wirklich?

Die kurze Antwort: Nein.
Aber die lange Antwort lohnt sich – denn sie bringt Klarheit in ein Thema, das nicht nur rechtlich relevant ist, sondern auch gesellschaftlich und wirtschaftlich immer wichtiger wird.

In diesem Beitrag erfährst du, was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) wirklich regelt, wer davon betroffen ist – und vor allem: wer nicht. Denn genau diese Perspektive fehlt in vielen Texten.

Außerdem zeige ich dir, warum es auch ohne Pflicht sinnvoll ist, sich mit digitaler Barrierefreiheit auseinanderzusetzen – und was du konkret tun kannst, um Schritt für Schritt mehr Teilhabe zu ermöglichen.

 

Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – kurz BFSG – ist ein deutsches Gesetz, das auf der europäischen Richtlinie (European Accessibility Act) basiert. Es soll sicherstellen, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen künftig für alle Menschen nutzbar sind – auch für Menschen mit Einschränkungen.

Das Gesetz wurde am 22. Juli 2021 verabschiedet und tritt zum 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen bestimmte Angebote barrierefrei gestaltet sein, sofern sie unter die gesetzlich definierten Bereiche fallen.

 

Ziel des Gesetzes:

Das BFSG soll Barrieren abbauen – vor allem im digitalen Raum. Denn für viele Menschen mit Behinderung oder altersbedingten Einschränkungen sind Online-Dienste bis heute nur eingeschränkt nutzbar. Dabei geht es nicht nur um soziale Gerechtigkeit – sondern auch um Teilhabe, Kundenorientierung und die Zukunftsfähigkeit der digitalen Welt.

Wichtig zu wissen:

Das BFSG richtet sich in erster Linie an Unternehmen, die bestimmte digitale Dienstleistungen oder Produkte anbieten – z. B.:

  • Selbstbedienungsterminals (z. B. Fahrkartenautomaten)
  • elektronische Kommunikationsdienste
  • Bankdienstleistungen
  • E-Books
  • Webshops & Online-Verkaufsplattformen

Die Anforderungen betreffen also nicht jede Website pauschal, sondern vor allem solche, die kommerzielle Funktionen erfüllen und in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.

Wer ist betroffen – und was muss umgesetzt werden?

Nicht alle Unternehmen oder Website-Betreiber sind vom BFSG betroffen. Das Gesetz richtet sich gezielt an Anbieter, die bestimmte Produkte oder Dienstleistungen digital zugänglich machen – und dabei eine gewisse wirtschaftliche Größe überschreiten.

Geltungsbereich – wer muss handeln?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt für Unternehmen, die:

  • mehr als 10 Mitarbeitende haben oder
  • einen Jahresumsatz von über 2 Millionen Euro erzielen

UND gleichzeitig Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die im Gesetz geregelt sind – insbesondere:

  • Webshops & Online-Plattformen, auf denen Verträge abgeschlossen werden können
  • Banken, Versicherungen & Telekommunikationsdienste
  • E-Book-Plattformen & Online-Bibliotheken
  • Digitale Ticketing-Systeme (z. B. für Bahn, Konzerte, Kino)
  • Hardware mit digitaler Benutzeroberfläche (z. B. Geldautomaten, Terminals)

Was bedeutet „barrierefrei“ in diesem Zusammenhang?

Barrierefrei bedeutet, dass digitale Inhalte und Funktionen auch für Menschen mit Behinderungen ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind – z. B.:

  • mit Tastatur statt Maus bedienbar
  • für Screenreader nutzbar
  • mit ausreichendem Farbkontrast und skalierbarer Schrift
  • mit klarer Navigation, verständlicher Sprache und ohne zeitliche Hürden

Die technische Grundlage bildet der Standard EN 301 549, der eng an die WCAG-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines) angelehnt ist.

 

Was passiert bei Nichteinhaltung?

Das BFSG sieht vor, dass Verstöße ab Juni 2025 geahndet werden können – u. a. durch:

  • Abmahnungen
  • Bußgelder
  • Verbandsklagen durch Verbraucher- oder Behindertenverbände

Doch keine Panik: Die meisten kleinen Unternehmen sind nicht betroffen. Wer dazu zählt – und warum – das erfährst du im nächsten Abschnitt.

 

Wer ist nicht betroffen – und warum?

In vielen Artikeln und Videos zum BFSG heißt es pauschal: „Ab 2025 müssen alle Websites barrierefrei sein.“
Das ist jedoch nicht korrekt – und sorgt aktuell für viel Verunsicherung, besonders bei Solo-Selbstständigen und kleinen Betrieben.

Deshalb hier ganz klar:
Wenn du weniger als 10 Mitarbeitende hast und unter 2 Millionen Euro Jahresumsatz bleibst, bist du vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nicht betroffen.

 

Kleinstunternehmen sind ausdrücklich ausgenommen

Das Gesetz nimmt Bezug auf die offizielle Definition eines „Kleinstunternehmens“ gemäß EU-Recht. Ausgeschlossen sind also:

  • Solo-Selbstständige
  • Einzelunternehmer:innen
  • kleine Praxen, Ateliers oder Werkstätten
  • viele Coaches, Berater:innen und Kreativschaffende
  • kleinere Online-Shops mit sehr begrenztem Umsatz

Selbst wenn du z. B. digitale Dienstleistungen anbietest oder einen Online-Kalender verwendest – solange du die genannten Schwellenwerte nicht überschreitest, bist du gesetzlich nicht zur Umsetzung verpflichtet.

Aber Achtung bei „Mischformen“:

  • Wenn du z. B. in einem Team arbeitest, das auf dem Papier nur 6 Personen hat, aber mit Freelancern oder Minijobs regelmäßig erweitert wird, kann es im Grenzbereich knifflig werden
  • Auch wer regelmäßig Online-Kurse oder digitale Produkte verkauft, sollte im Blick behalten, ob der Umsatz langfristig die Grenze von 2 Mio. überschreiten könnte

In solchen Fällen lohnt es sich, sich rechtzeitig zu informieren und vorzubereiten, auch wenn noch keine Pflicht besteht.

 

Klartext statt Panikmache

Du musst nicht bis 2025 eine vollständig barrierefreie Website haben, wenn du nicht betroffen bist. Es gibt keine automatische Abmahngefahr, keine neue Impressumspflicht und keine Kontrolle für kleine Websites.

Was du aber tun kannst:
dich freiwillig für Barrierefreiheit entscheiden –
aus Überzeugung, aus Respekt,
und weil es deine Website besser macht.

Warum es trotzdem sinnvoll ist, sich mit Barrierefreiheit zu beschäftigen

Auch wenn du vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nicht betroffen bist, lohnt sich der Blick auf digitale Barrierefreiheit – nicht aus Zwang, sondern aus Haltung. Denn Barrierefreiheit ist weit mehr als eine juristische Pflicht. Sie ist ein Zeichen von Achtsamkeit, Respekt und professionellem Anspruch.

Hier sind fünf gute Gründe, warum du freiwillig aktiv werden solltest:

1. Du erreichst mehr Menschen

  • Barrierefreie Websites sind für alle zugänglich – auch für:
  • Menschen mit Seh-, Hör- oder Motorikeinschränkungen
  • ältere Nutzer:innen mit geringerer Technikaffinität
  • mobile Besucher:innen mit kleinen Displays oder instabiler Verbindung
  • Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Konzentrationsschwierigkeiten

Barrierefreiheit ist auch Benutzerfreundlichkeit. Und die tut allen gut.

 

2. Du stärkst dein Image & sendest eine klare Botschaft

Eine barrierearme Website zeigt:
Du denkst mit. Du denkst weiter. Und du nimmst niemanden aus.

Gerade für bewusste, nachhaltige Unternehmen ist das ein wichtiges Differenzierungsmerkmal – und ein Signal an Kund:innen, Partner:innen und zukünftige Mitarbeitende.

 

3. Du verbesserst deine Sichtbarkeit bei Google

Suchmaschinen lieben gut strukturierte, zugängliche Websites. Viele Maßnahmen zur Barrierefreiheit verbessern automatisch auch dein SEO:

  • saubere Überschriftenstruktur (H1–H3)
  • Alt-Texte für Bilder
  • gute Lesbarkeit
  • mobile Optimierung
  • klare Navigation

Barrierefreiheit = SEO + Nutzerfreundlichkeit + Zukunftssicherheit.

 

4. Du machst deine Website zukunftsfähig

Wer sich heute mit Barrierefreiheit beschäftigt, hat morgen weniger Aufwand.
Denn klar ist: Die Anforderungen an digitale Teilhabe werden steigen.
Nicht nur durch Gesetze, sondern durch gesellschaftliches Bewusstsein.

 

5. Du entwickelst ein neues Bewusstsein für Gestaltung

Viele, die sich zum ersten Mal mit Barrierefreiheit beschäftigen, entdecken:
Es geht nicht nur um technische Anpassungen – sondern um eine veränderte Sicht auf Kommunikation, Gestaltung und Miteinander.

Und diese Sichtweise verändert oft mehr als nur eine Website.

 

BFSG, BITV, WCAG – was ist eigentlich der Unterschied?

Im Zusammenhang mit digitaler Barrierefreiheit begegnen dir schnell drei Begriffe, die ähnlich klingen, aber Unterschiedliches meinen. Hier findest du eine einfache Übersicht:

BFSG = Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Gilt für private Unternehmen (ab Juni 2025)
Was regelt es: Welche digitalen Produkte & Dienstleistungen barrierefrei angeboten werden müssen.

BITV = Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung: Öffentliche Stellen, Behörden, Bildungsinstitutionen
Regelt die verbindliche Barrierefreiheit für Websites & digitale Angebote des öffentlichen Sektors.

WCAG = Web Content Accessibility Guidelines: Technischer Standard (international)
Beschreibt, wie Barrierefreiheit technisch & gestalterisch umgesetzt werden soll.

 

Einfach erklärt:

  • Das BFSG ist ein deutsches Gesetz, das ab 2025 bestimmte private Unternehmen zur Barrierefreiheit verpflichtet.
  • Die BITV gilt schon jetzt, aber nur für öffentliche Einrichtungen.
  • Die WCAG ist der Maßstab, an dem beide sich technisch orientieren – sie liefert die konkreten Richtlinien für barrierefreies Webdesign.

Wenn du deine Website nach WCAG-Standards ausrichtest, bist du immer auf der sicheren Seite – egal, ob du gesetzlich verpflichtet bist oder freiwillig Verantwortung übernimmst.

 

Was du jetzt tun kannst – auch ohne gesetzliche Pflicht

Du musst nicht auf gesetzliche Vorgaben warten, um deine Website inklusiver und zukunftsfähiger zu gestalten. Oft reichen schon kleine Schritte mit großer Wirkung. Und genau hier kannst du anfangen:

Erste einfache Maßnahmen:

  • Bilder mit Alt-Texten versehen, damit Screenreader sie interpretieren können
  • Genügend Kontraste verwenden, z. B. bei Text auf farbigem Hintergrund
  • Klare, strukturierte Überschriftenhierarchie nutzen (H1, H2, H3 …)
  • Links verständlich beschriften („Mehr erfahren über XY“ statt „Hier klicken“)
  • Navigation logisch und übersichtlich aufbauen
  • Schriftgröße lesbar halten und Vergrößerung ermöglichen

Diese Maßnahmen sind leicht umsetzbar, verbessern die Nutzerfreundlichkeit sofort – und schaffen die Basis für weiterführende Optimierungen.

Tools für den Einstieg:

Mit diesen Tools kannst du deine Website testen und erste Barrieren identifizieren – ohne technisches Vorwissen.

 

Bonus-Tipp: Barrierefreiheit sichtbar machen

Wenn du bereits Maßnahmen ergriffen hast, zeig es ruhig – z. B. in einem Hinweis im Footer oder auf deiner Über-mich-Seite. Das schafft Vertrauen und zeigt Haltung.

Barrierefreiheit ist kein starres Ziel, sondern ein Weg, den du bewusst gehen kannst. Je früher du beginnst, desto selbstverständlicher wird es – für dich, für deine Besucher:innen und für die Welt, in der wir leben.

 

Fazit: Keine Pflicht? Trotzdem Verantwortung.

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sorgt für Bewegung – und leider auch für Verunsicherung.
Klar ist: Nicht alle sind betroffen. Doch alle sind gemeint.

Denn digitale Barrierefreiheit ist weit mehr als eine juristische Vorgabe. Sie ist eine Haltung. Eine Einladung. Eine Chance, Teilhabe zu ermöglichen – ganz unabhängig von Gesetz und Pflicht.

Du musst nicht alles auf einmal umsetzen. Aber du kannst heute anfangen, deine Website Stück für Stück zugänglicher zu gestalten.

Weil du niemanden ausschließen willst.
Weil du gesehen werden willst – von allen.
Und weil es sich richtig anfühlt.

 

Du bist unsicher, ob deine Website barrierefrei ist? Ich unterstütze dich gerne dabei, mögliche Barrieren aufzudecken und gemeinsam Lösungen zu finden, damit deine Website für alle Nutzer:innen zugänglich wird. Vereinbare gleich ein kostenloses Gespräch mit mir!

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